Was war das für eine Saison: Grand-Slam-Titel in Roland Garros, Halbfinale bei den US Open, Premiere im Davis-Cup-Finale mit zwei Siegen. Kevin Krawietz und Andreas Mies haben ein fast irrwitziges Jahr 2019 erlebt. Unsere Autorin Doris Henkel konnte im Rahmen des Davis Cups in Madrid mit den beiden Doppelspezialisten auf das Jahr zurückblicken. Wissen Sie noch, wo Sie 2018 Silvester gefeiert haben und wie die Pläne für 2019 aussahen? Mies: In Pune in Indien, da haben wir sogar noch am 31.12.2018 das erste Match für die Saison 2019 gespielt. Das haben wir gewonnen, und dann haben wir abends im Hotel Silvester gefeiert. Im großen Saal, mit vielen Indern und den ganzen Tennisspielern, das war echt 'ne neue Erfahrung. Krawietz: Wir haben schon so ein bisschen angestoßen. Auf ein gutes Jahr einfach, aber ohne Erwartungen, ohne was Großes anzukündigen. Über das Große, das dann ein halbes Jahr später in Paris wie der Blitz einschlug, haben Sie seither oft gesprochen. Haben Sie das Finale danach noch mal im Video gesehen? Mies: Ich hab das Finale ein paar Tage danach zuhause bei meinen Eltern auf der Couch geschaut, mit der ganzen Familie, das war ja im Archiv auf dem Eurosport-Player noch 'ne Woche gespeichert. Ich saß da und dachte: Da spielen wir und gewinnen das French Open Finale, das war echt cool. Krawietz: Bei mir auch. Ich hab's mir auch angeschaut zuhause, das war schon unglaublich, wie die Emotionen noch mal hochkommen, mit Gänsehaut. Aber ich hab das Spiel gar nicht mehr. Hast du es? Mies: Nein, leider nicht. Krawietz: Wir suchen das Spiel. Vielleicht müssen wir bei Eurosport noch mal fragen. Wie schwer war die Phase danach? Wie oft muss man sich zurücknehmen und sagen: Komm, das war ein riesiges Ding, aber wir haben Zeit, wir können unseren Weg gehen. Krawietz: Ich weiß nicht, ob es klar ist, dass danach ein Loch kommt, viele sagen: passiert halt. Klar ist es uns auch passiert, aber wir fanden das auch gar nicht schlimm. Ich glaub, dass diese Phase ganz wichtig war, denn wir haben uns gesagt: Wir haben was Großes erreicht, und jetzt müssen wir an unseren Sachen weiter arbeiten, egal, was drum herum jetzt passiert. Aber natürlich hat uns das Riesenspaß gemacht, als wir in Halle ankamen, Kinder auf uns zukamen, Autogramme und Fotos wollten. Dafür spielt man ja auch, dass man irgendwo in den Kinderaugen was sieht und hört, wir haben euch im Finale gesehen. Es macht uns ja auch Spaß, die anderen für Tennis und speziell für Doppel zu begeistern. Andreas Sie haben mal gesagt, in so einem Jahr lerne man den anderen auch besser kennen. Was haben Sie rausgefunden, das Sie vorher noch nicht wussten? Mies: Wir spielen jetzt anderthalb Jahre zusammen und klar lernen wir uns jetzt in gewissen Situationen immer besser kennen. So, wie sich dann auch unser Spiel weiter entwickelt, und wir uns auf dem Platz immer besser verstehen und wissen genau mit der Zeit, was der andere gern macht, wie er spielt, wie man helfen kann. Aber auch in einer Phase, wo es vielleicht nicht so gut läuft ist es wichtig, weiter positiv zu bleiben und wir haben nicht die Nerven verloren. Da haben wir viel gelernt, dass wir weiter an uns glauben, uns gegenseitig unterstützen und füreinander da sind. Das hat uns auch danach wieder geholfen. Kevin, haben Sie irgendwas über Andreas rausgefunden, was Sie bis dahin noch nicht wussten? Krawietz: Man ist so lange unterwegs, 35 Wochen im Jahr. Natürlich kennt man sich dann in- und auswendig. ... was isst er am liebsten zum Frühstück, zum Beispiel? Krawietz: Da bringt er sein Müsli mit, acht Kilo Obst, der Berg kann nicht groß genug sein. Dann isst er's, und danach bestellt er sich noch ein Omelett. Trinkt keinen Kaffee. Ich weiß, dass der Andy nicht so die frühen Einheiten mag, ich hab andere Sachen, die ich nicht mag. Wo wir gegenseitig ein bisschen Rücksicht aufeinander nehmen, dass das Team einfach funktioniert. Einfach das machen, worauf man Lust hat, und der andere muss es akzeptieren, auch wenn's ihm manchmal vielleicht nicht so passt. Hauptsache man ist relaxed, und man ist dann fokussiert auf den nächsten Tag. Wenn Sie jemanden treffen, der sich nicht so arg für Tennis interessiert, wie ginge dann der Satz weiter: Ich bin Doppelspieler, und ich spiele mit einem Typen, der ... Mies: ... sehr relaxed ist, und der sehr gut Tennis spielt. Krawietz: ... emotional ist, ehrgeizig, teilweise perfektionistisch beim Training, was auch wichtig ist. Der immer extra Bälle haben will. Was ist das für ein Gefühl, nach Jahren, in denen Sie jeden Cent umdrehen mussten, jetzt vergleichsweise aus dem Vollen schöpfen zu können? Mies: Dafür haben wir gearbeitet die ganzen Jahre, damit wir in der Situation sind, in der wir jetzt sind. Es ist ja nicht so einfach, vom Doppel zu leben. Das ist die zweite Geige, das wissen wir auch. Wir haben ein unglaubliches Jahr gehabt, worauf wir sehr stolz sind. Und das Finanzielle ist dann natürlich ein Bonus, dass man sagt, man verdient jetzt auch besser, kann besser planen, kann einen Coach mitnehmen, Physio, Athletiktrainer, was wichtig ist, wenn man noch viele Jahre auf dem höchsten Niveau spielen möchte. Da darf man nicht an solchen Sachen sparen. Was ist im Doppel besser als im Einzel? Krawietz: Dass es eben ein Teamsport ist. Dass man zusammen verliert, zusammen gewinnt, vielleicht nicht die 100 prozentige Verantwortung trägt. Wenn der eine schlecht spielt kann der andere es noch rausreißen. Und umgekehrt, wenn man selbst gut spielt, kann man trotzdem verlieren. Das Schönste ist, zusammen zu feiern, aber auch Niederlagen sind einfach besser zu verkraften. Was ist am Doppel für den Zuschauer attraktiver als Einzel? Mies: Ich finde es sehr spektakulär und dynamisch. Es ist attraktiver zum Anschauen als ein Einzel. Natürlich sieht man da immer einen großen Kampf wie bei zwei Gladiatoren, und die rennen wie die Wahnsinnigen übern Platz. Aber man sieht halt doch oft dieselben Ballwechsel. Das Doppel ist noch mehr von der Taktik geprägt, kürzere Ballwechsel, ich find's echt ein geiles Spiel. Krawietz: Ich finde einfach, die ATP muss Doppel mehr promoten, auch die ITF. Bei der ATP muss man nur auf deren Instagram Account gehen: Jeder zwölfte Post ist mal ein Doppelpost, die müssen da mehr machen, würden wir uns als Spieler wünschen. Wen halten Sie für die Besten unter Ihren Konkurrenten? Mies: Ich glaube, aktuell sind Herbert/Mahut das beste Team, die die ATP Finals in London gewonnen haben; die bringen alles mit. Es gibt viele gute Teams, und wir gehören selbst auch dazu. Ich würde auch die Bryans dazu nehmen. Größten Respekt dafür, was sie geleistet haben, und schade, dass sie nächstes Jahr aufhören. Andreas, Sie hatten einen sehr speziellen Empfang bei einem Footballspiel Ihres Colleges in den USA vor 90.000 Zuschauern. Wie war das? Mies: Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so was mal erleben werde. Ausverkauftes Stadion bei meiner Uni in Auburn/Alabama, wo du denkst, da ist nicht so viel los. Ich bin auf den Rasen geführt worden und wurde auf der Leinwand eingeblendet, so zehn Sekunden ungefähr. Ich hatte total Gänsehaut. Dann sind wir die Treppen hochgegangen, haben alle abgeklatscht. Mein Coach meinte, Andy, sowas hatten wir noch nie für einen Tennisspieler. Der absolute Wahnsinn. Das ließe sich für Kevin nur toppen mit einem Empfang beim FC Bayern, stimmt's? Krawietz: Ja, in der Allianz-Arena (grinst). Ich durfte mich in meiner Heimat in das Goldene Buch eintragen, wurde dann auch zum Botschafter von Coburg ernannt, wovon es nur vier gibt. Das war eine nette Geste und ein super Empfang, aber eher im kleinen Kreis, nicht vor 90.000. Der letzte Termin in diesem besonderen Jahr war Ihre Premiere im Davis Cup. Mal abgesehen von der Diskussion um das neue Format - wie war's? Krawietz: Wir hatten viel Spaß mit der Mannschaft. Das sind echt super Leute, coole Charaktere. Vom Bespanner bis zum Fitnesscoach bis zu Michael Kohlmann, dem Käpt'n, bei dem ich in der TennisBase Oberhaching auch schon trainiert hab. Alle halten zusammen, und das ist einfach komplett was anderes als auf der Tour. Um den Kreis zu schließen - wo feiern Sie diesmal Silvester, und was steht auf dem Plan für 2020? Mies: Wir feiern in Australien, fliegen spätestens am 28. Dezember. Wir spielen ja den ATP Cup in Brisbane, da geht's los. Man weiß ja nie, was kommt. Wenn uns das, was passiert ist, letztes Jahr jemand gesagt hätte in der Silvesternacht in Indien. Damals standen wir 74 und 71 in der Rangliste und waren froh, in Pune überhaupt dabei zu sein. Wenn uns da einer gesagt hätte, nächstes Jahr seid ihr Top 10, seid in London bei den ATP Finals dabei, könnt euch alles aussuchen, hätten wir gesagt: Ja, das wär schön. Nach dem Jahr, was wir jetzt hatten, ist es schon ein Ziel, nächstes Jahr wieder in London dabei zu sein. Ach, eines vielleicht noch. Was regt Sie, Andreas, an Kevin auf und umgekehrt? Mies: Fang du an ... Krawietz: Unpünktlichkeit. Aber ich muss sagen, du hast dich gebessert. Was ist mit ihm? Mies: Ich glaub, das beschreibt Kevin am besten: Wenn sein Kopf nicht angewachsen wäre, dann würde er ihn liegen lassen. Er ist einfach sehr vergesslich. Krawietz (grinst): Ja, das ist ne gute Kombination mit uns - wenn um 11 Uhr Warmup ist, dann starten wir um zehn nach elf, und ich hab die Bälle vergessen.  Foto: Jürgen Hasenkopf |